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Freitag, 17. Juli 2015

Lügenpresse

Ende nächsten Jahres wird Watson Geschichte sein. Hansi Voigt und sein Team werden beim jungen Newsportal dann über 20 Millionen Franken verbrannt haben. Schade, denn die erstarrte Medienlandschaft hierzulande könnte etwas mehr Bewegung gut vertragen. Woran Watson auch scheitern wird, ist der schlechte Journalismus, den man betreibt. Aktuelles Beispiel: Jonas Jansen hat für Faz.net gestern sehr gut aufgeschrieben, warum man der deutschen Bundeskanzerin Angela Merkel im Umgang mit dem libanesischen Mädchen Reem, das wohl doch nicht abgeschoben wird, wenig vorwerfen kann. Da hatten Watson und viele andere Newssites aber bereits ihre reisserischen Stories verfasst. Auf der Schweizer Seite urteilte Autor William Stern gleich zu Beginn seines Textes: "Es ist ein Dialog zum Fremdschämen, zum Vergessen und zum sich ins tiefste Loch verkriechen. Es ist ein Dialog, der einen endgültig mit dem Gewäsch von Politikern brechen lässt." Dumm nur, dass man recht schnell hätte merken können, dass es keinen Skandal gibt. Man hätte nur das ganze Video des Merkel-Auftritts an einer Schule im norddeutschen Rostock sehen müssen. Aber das hat der nicht recherchierende Journalist natürlich nicht getan. Sterns Watson-Kollege Kian Ramezani hat dann heute nachgelegt, natürlich wurde Sterns Text nicht mit einem korrigierenden Update versehen. Ramezani titelt dann auch "ARD unterschlägt entscheidende 3,5 Minuten des Merkel-Videos". Natürlich war der Bericht, auf den sich die ersten Berichte bezogen, schlecht. Das entbindet Journalisten aber nicht von der Pflicht, Originalquellen zu prüfen. Man sieht das ja auch an den beiden Watson-Stories: Wer diese als Quellen nimmt, schreibt schlechte Artikel. Schlimm ist nur, dass beide bereits über 500 Likes auf Facebook eingesammelt haben. Und Klicks kann man ja nicht rückgängig machen. Aber nur eine Frage an Hansi Voigt: Wie wäre es bis zum bitten Ende mal mit Recherche?